Das Wichtigste vorweg: Klettern erfolgt auf eigene Gefahr. Das Deutsche Rote Kreuz ist ums Eck – Späßle 🙂
Wen es beruhigt: Das DRK hat tatsächlich seinen Standort im Raum gegenüber aber von unserer Boulderwand sollte eigentlich keine Gefahr ausgehen. Hier nun ein kurzer Abriss unserer Sicherheitsvorkehrungen.
Der offizielle Weg beim Bau einer Boulderwand wie sie für den Aufbau in der Öffentlichkeit verpflichtend ist ist uns zu teuer:
In der Regel erfolgt zunächst eine statische Berechnung, dann werden einzelne Wandkomponenten im Labor einer Materialprüfungsanstalt getestet und nach dem Bau erfolgt eine Endabnahme. Hier explodieren die Kosten. Da wir uns diese nicht leisten können, nahmen wir die Sicherheitsangelegenheit selbst in die Hand. Dabei orientierten wir uns an der Norm für künstliche Kletteranlagen (DIN EN 12572). Wir sind sehr froh über Tipps vom Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK)der Uni Stuttgart. Leider darf unser Ansprechpartner, der sich sehr motiviert zeigt, aus Versicherungsgründen keine verbindliche statische Ansage machen.
Für das Material unserer transparenten Kletterfläche fiel unsere Entscheidung auf Polycarbonat, das auch unter dem Markennamen Makrolon bekannt ist. Die Alternative war Acrylglas (Plexiglas), das unseren Recherchen zufolge, verhältnismäßig viel häufiger für den transparenten Kletterwandbau eingesetzt wird – wobei das auch nur ein paar Exoten sind.
Polycarbonat hat den Vorteil, dass es extrem biegsam ist und beim besten Willen nicht bricht. Splittergefahr wie bei Acrylglas besteht hier also nicht. Eher knickt das Material bei extremer Belastung. Man kann sich das Material ungefähr wie eine Plastikflasche vorstellen, die man auch fallen lassen kann, sich allenfalls verformt, aber nicht bricht, nur eben, dass unsere Wand nicht nur ein paar Mikrometer, sondern 15mm dick ist. Möglicherweise schwingt unsere Wand ein bisschen bei starken Stößen, aber das bedeutet noch längst kein Risiko – übrigens vereinbart sich das Schwingen wunderbar mit dem Konzept, das einen Kletterpfad auf Nervenbahnen vorsieht. Für Acrylglas hätten wir deutlich stärkere Platten verwenden müssen und die Bruchgefahr, die wir zum Beispiel beim Bohren gehabt hätten, wäre viel höher gewesen als bei Polycarbonat. Natürlich hat Acrylglas auch seine Vorteile, etwa die bessere Kratzfestigkeit und UV-Beständigkeit, allerdings waren die geringere Ausreißgefahr bei Bohrungen und die Brandschutzklasse B1 nicht zuletzt ausschlaggebend für unsere Entscheidung für Polycarbonat.
Unsere Klettersteine hingegen stammen aus Eigenproduktion und unterliegen somit keiner bestimmten Brandschutzklasse. Auch für die Stabilität kann der Hersteller unseres Gießharzes keine Angaben machen, da diese Faktoren vom jeweiligen Gießling abhängen. Für uns bedeutete das ein Härtetest. Getestet wurden Bruchfestigkeit und Brandfestigkeit.
Für den Bruchtest jagten wir unsere Teststeine nacheinander für je 70 min durch eine Tiefkühltruhe (-18°C) und heißes Wasser (etwa 70°C). Nachdem visuell keine Veränderungen zu erkennen waren, simulierten wir mit Begleitung unseres Sicherheitsdozenten eine dynamische Belastung. Zunächst montierten wir unseren schwächsten Kletterstein an eine Polycarbonatplatte unserer finalen Stärke (=15mm) und versuchten, die Materialien an ihre Grenzen zu bringen: Wir ließen Bühnengewichte von insgesamt bis zu 96 kg aus einer Fallhöhe von etwa 70cm in einen Spanngurt fallen, der um den Kletterstein gelegt wurde. Die Wucht war spektakulär: Der ziemlich massive Werkstattstisch schwankte bedrohlich, ein anderer Tisch kippte uns entgegen, die Polycarbonatplatte, an die der Kletterstein angeschraubt wurde, wurde in Schwingung versetzt und die Montageschraube wurde warm. Aber sowohl Platte als auch Kletterstein blieben heil. Nur bei einem Kletterstein, bei dem der Spanngurt recht punktuell auflag, wurde eine einst raue Stelle glatt geschliffen.
Als Verdrehschutz der Klettersteine auf der Polycarbonatplatte werden wir voraussichtlich eine transparente Küchenschubladenmatte von Ikea verwenden.
Für den Brandtest zündeten wir eine Gartenfackel an und grillten einen Stein in der Flamme. Lange Zeit passierte (zum Glück)überhaupt nichts. Allmählich wurde der Kletterstein schwarz. Nach zwei Minuten fing er an zu glühen und nach 2:15 min trug er die erste eigene Flamme. Polycarbonat (Brandschutzklasse B1) zum Vergleich stand bereits nach 2 Min in Flammen. Ein Stück Holz nach etwa 10 Sekunden. Der Brandtest war zwar nicht besonders spektakulär, aber wir schließen daraus, dass unsere Klettersteine schwer entflammbar sind, selbst wenn wir dafür kein Gutachten mit Brief und Siegel haben.
Nun sollte alles fest sitzen. Das größte Risiko sind wohl nur noch Schuhe mit viel Spielraum im Zehenbereich. Und deshalb darf jeder Kletterschuhe testen.
Und wer sich nun immer noch vor unserer Wand fürchtet, fällt höchstens in eine der 30cm dicken Weichbodenmatten.
Beitrag von Tim Forstenhäusler und Fabian Fiess