Pamphlet für gesteigertes künstlerisches Selbstbewusstsein an den technisch-künstlerischen Hochschulen.
Die Studioproduktion Event Media stellt ihr diesjähriges Werk im Umfeld der bildenden Kunst an zwei unterschiedlichen Orten aus. Damit bewegt sie sich erstmalig nicht nur im kommerziellen Bereich, der Industrie, der alltagstauglichen Unterhaltung, sondern in der Hochkultur der Kunst. Das wirft Fragen nach ihrer / unserer Identität auf. Sind künstlerische Artefakte, die im Hochschulumfeld für mediale Gestaltung, wie z.b. der Hochschule der Medien entstehen, dazu berechtigt? Wie kann man das Werk als Kunst identifizieren, obwohl es nicht aus einer der Brutstätten der stattlichen und privaten Kunstakademien entsprungen ist?
Wer sind die? Was stellen die dar? Wer sind wir? Wie stellen wir uns dar? Wie nennen wir uns?
Müssen wir die Nomenklatur der Kunstakademien annehmen wie z.B. …Klasse XY stellt aus…, um uns in dem Feld behaupten zu können? Gerade im Kunstgeschäft gibt es Regeln und Konstanten, die den werdenden Künstler in die Welt der Etablierten einlässt. Diese alten Verschlüsselungen müssen überdacht werden, denn die Kunst und die Kunstproduktion hat sich radikal geändert.
Nicht nur die Unterscheidungen der Kunstakademien zu den Hochschulen, die sich künstlerischen Belangen zuwenden, wie z. B. die Hochschule der Medien, weichen auf, es ist lohnenswert die Eigen- und Aussenwahrnehmung der Institute, ihr Berufungsvorgehen für Professoren und Studenten zu betrachten, die Art der Kunst und ihre Herstellungsmodalitäten.
Eine Kunstproduktion ohne Wirklichkeit
Schon Walter Benjamin beklagte in seinem Aufsatz “Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit” die sich entwickelnde Banalisierung, Verkitschung und Abwertung der Bilder, die durch die fortschreitende Bilderflut einher geht.
Die Wirkung des Kunstwerks verschiebt sich von dessen Originalität, Einzigartigkeit, wie Benjamin sagt die “Aura” eines Werks, hin zu einer breitenwirksamen Leuchtkraft. Mit der medialen Kunst wird Reproduktion als Gestaltungsmerkmal angenommen und Zustände erschaffen, die Räume, Flächen, Menschen, Objekte, Funktionen, Geräte einbeziehen und mit Bildwelten bespielen und Artefakte schaffen, deren Inhalt keine Entsprechung zu einem Ereignis oder einem Zustand der Wirklichkeit aufweisen. Das wirft Fragen zur Rolle des Künstlers auf.
Einzelpersonen können diese Kunst nicht mehr leisten, sie schliessen sich zu Kollektiven zusammen. So sind in den Künstlergruppen Standbildkünstler, Bewegtbild- oder Videokünstler, Künstler der digitalen Verschaltung, Programmierer, Regisseure, Tonkünstler und Vermarktungskünstler gleichermassen. Kunstwerke werden zu aufwändigen medialen Produktionen und das Ego des Einzelnen findet sich im Kollektiv, im Gemeinsamen wieder.
Mehr Mut zu einer Selbst – Definition
Mit dieser neuen Art der Definition des Künstlers müssen auch die Regeln und Konstanten zur Kennzeichnung junger Künstler wandelbar gemacht werden. Studenten, junge Künstler empfinden es als Zumutung in der Einladung zu einer Kunstausstellung nicht mit ihrem Namen oder als Kollektiv mit eigener Bezeichnung angekündigt zu werden. Sie wollen sich nicht mit “Klasse Prof. XY” oder “Prof. XY und Klasse” hinter einem fremden Namen wieder finden. Sie wollen sich nicht dem Argument beugen müssen, dass niemand wisse, wer dahinter steht, wenn ein erdachter Gruppenname fällt. Denn haben sich nicht auch die “blauen Reiter” so vorgestellt?
Die kollektive Kunstschaffung verlangt nach einem klügeren Verständnis mit dem Umgang von Gruppennamen und Künstlerkennung. Der Künstler als genialer Visionär und Einzelgänger und -schaffender ist nur in Kunstgattungen anzufinden, wo es nicht um die Verschmelzung verschiedener Disziplinen geht. Deshalb ist es notwendig dass technisch-mediale Hochschulen zu einem Selbstbewusstsein ausserhalb eines Ingenieurwesens kommen. Die Grenzen Handwerk, Intellekt, Kunst, Gestalt und Vision sind mit der medial technischen Kunst durchbrochen.
von Ursula Drees