In den Katakomben der HdM herrscht reges Leben, zwischen Stuttgarter Hofbräu und Chipstüten entsteht mit Hilfe modernster Technologie und großem persönlichem Einsatz eine Gruppenarbeit, an der sich zeitgemäßes Teamwork, das Entstehen von Netzwerken und Vernetzungen auf unterschiedlichen Ebenen nachvollziehen lassen. „Please reconnect the wire“ empfängt mich eine unpersönliche, omnipräsente, trotzdem aber irgendwie freundliche weibliche Stimme beim Betreten der Installation. Kabel? Welche Kabel? Hier hängen und liegen zu viele Kabel, um eine Entscheidung treffen zu können, welches Kabel ich nun mit einem anderen verbinden soll. Und: was passiert dann? Die Struktur, aus der die Stimme kommt: eine kühl-technoide Stahlstruktur, die an die legendären „Buckyballs“ von Buckminster Fuller erinnert – Buckminster wer?
von links nach rechts: Thomas Nathan, Felix Wegner, Franz Rosenberger, Tobias Isakeit Fotografie©Ursula Drees
Offenbar lag die Struktur für „Senses Reconnected“ in der Luft, die, betrachtet man die schematische Bauzeichnung, an den „guten Stern auf Deutschlands Straßen“ erinnert. Eine sicher nicht ganz abwegige Assoziation in der Daimler-Stadt Stuttgart. „Senses Reconnected“: Die 12 Studenten haben nichts anderes geplant, als die Sinne neu zu vernetzen, neue Verbindungen zwischen den Sinnen herzustellen. Dafür löten sie, programmieren, machen aber auch dafür Marketing, bewerben ihre Installation wie ein neues Produkt. Herausgekommen ist dabei tatsächlich innerhalb einer unglaublich kurzen Zeit eine Arbeit, bei der der Nutzer das Bild des Gegenübers hört, den Klang des mit einer Digicam aufgenommenen Bildes sieht, den dafür notwendigen Energiestrom über Farben vermittelt bekommt.
von links nach rechts: Nadja Weber und Anique Roelfsema Fotografie©Ursula Drees
Spannend ist dabei auch der Einsatz von Kleinstcomputern, die aussehen wie normale Leiterplatinen, bei denen aber die Steckplätze einzeln programmierbar sind und mit deren Unterstützung das multimediale Werk, das gleichzeitig auch über eine Klangdusche verfügt, vernetzt wurde. Ein wenig beängstigend ist es aber trotzdem, was da plötzlich mit dem eigenen Bild, dem eigenen Klang passiert, dass ein Dritter durch das Umstöpseln von Steckern diese Sinnesverwirrung vornehmen kann. Da hilft es auch nicht, dass, fast ablenkend, von diesem Eingriff in die Autonomie der Sinne ein zweiter Kreis um die Technologie gezogen wird, in dem die Natur erfahrbar gemacht wird.
Fotografie©Ursula Drees
Zwischen den drei Stationen, an denen die Nutzer der Sinnen-Verwirr-Maschine miteinander kommunizieren können, werden, etwas nach außen gerückt, drei wuchtige Säulen die Leichtigkeit der Techno-Struktur konterkarieren. In ihrem Innern befinden sich Fühlkästen, die aber mehr können als die meisten der herkömmlichen Tastkisten für Kinder. Beim Hineingreifen in die Black Box löst der Nutzer einen Impuls aus, der zusätzlich zu den im Kasten erfühlbaren Steinen (Berg), dem Wasser (See) und dem Holz (Wald) entsprechende, eigens für das Projekt von einem Unternehmen komponierte Duftmischungen freisetzen, die olfaktorisch den Impuls der Erinnerung verstärken sollen. Auf Monitoren bekommt der Benutzer noch zusätzliche Hinweise auf das, was ihn beim blinden Tasten erwarten wird. Hier kommt es also zu keinem Bruch mit den Erwartungen, die Sinnesverwirrung, die im Innenkreis vorgenommen werden kann, ist im Außenkreis nicht angelegt.
von Frau Dr. Gerbing
Dieser Beitrag wurde von der Kunsthistorikerin und freien Kuratorin Dr. Chris Gerbing nach einem Besuch in der Hochschule der Medien am 25. Juni. 2010 für unseren Blog verfasst.
Fotografie©Ursula Drees
Wir hatten die Ehre von Frau Dr. Gerbing durch das ZKM geführt zu werden und aufbauend auf dieser sehr gewinnbringenden Erfahrung haben wir alle Bemühungen daran gesetzt, sie für unser Projekt zu gewinnen. Wir möchten uns herzlich bei Frau Dr. Gebring bedanken.