Über meine Zeit als Hospitanz bei der Event Media Studioproduktion Applied Magic
Wie alles anfing
Ich studiere auch irgendwas mit Medien, um genauer zu sein Crossmedia-Redaktion und Public Relations. Abgesehen von dem verwirrenden Namen, den keiner versteht, ist auch das Feld des Studiums nicht ganz eingegrenzt. Als modernen Journalisten würde ich mich am Ende bezeichnen, der sowohl Text-, Audio-, Foto- und Videoproduktionen einmal durchlaufen hat.
Schon am Anfang von meinem Studium merke ich, dass mir besonders die visuelle Umsetzung liegt. Ich versuche alles rund um Film, Fotografie und Design in mein Studium einzubauen. Im Rahmen einer Hospitanz darf ich dann ein Semester lang hinter die Kulissen der Event Media Studioproduktion blicken – und lerne nicht nur, dass Audiovisuelle Medien der spannendere Studiengang ist, sondern auch, dass die interessantesten Dinge sich nicht in den Vorlesungen abspielen.
Wir brauchen einen Schuldigen? Die Regie!
Alles, was am Anfang der Studioproduktion Applied Magic passiert, kenne ich bereits von der Event-Organisation oder Filmproduktion: Gewerke bilden, Hauptansprechpartner ernennen, Aufgaben verteilen und das Team kennenlernen. Aller Anfang ist zäh. Größtes Sorgenkind: Das Konzept. Die Regie präsentiert es immer wieder neu, es gibt stets etwas zu meckern: „Das
Konzept hat keinen roten Faden“, „Diesen Teil verstehe ich nicht“ oder „Die Moodboards passen nicht“. Alle Gewerke stehen in den Startlöchern, aber das Konzept will noch nicht so richtig funktionieren. In kleinen Gruppen wird an Einzelheiten des Konzepts gefeilt, jeder arbeitet zusammen und erläutert Problemstellungen für die eigenen Bereiche. Mein erster Aha-Moment: Verantwortliches Gewerk hin oder her, letztendlich hilft jeder da, wo es brennt. Aktuelles Problemkind ist das Konzept, im weiteren Verlauf wird es der Bühnenbau sein.
Ich beobachte die Regie, wie sie händeringend alle Probleme unter einen Hut bekommt. Niels, Dauer-Hut-tragender Regisseur, fasst zusammen: „Die größte Erleichterung war es, als das Konzept abgenommen wurde“. Und es kann losgehen. Dachte ich zumindest. Weit gefehlt und mein zweiter Aha-Moment in dieser Produktion: Geld spielt keine Rolle bis zu dem Zeitpunkt, an dem es fehlt. Das Sponsorenteam hat alle Hände voll zu tun, die Produktionskasse zu füllen. Dies ist nicht unbedingt der dankbarste Job, denn Körbe zu bekommen ist nicht nur beim Flirten unangenehm.
Ich würde nicht sagen, Regie und Finanzen sind die schwierigsten Jobs in einer Produktion. Aber es sind definitiv die Positionen, die am meisten Ausdauer über den gesamten Produktionszeitraum benötigen. Regisseur einer Event Media Produktion zu sein ist nicht annähernd vergleichbar mit der Regie beim Dreh eines Films. Es bedeutet nicht nur, gestalterisch
die volle Verantwortung zu tragen. Sondern bereits bei den Vorbereitungen Ansprechpartner für alle Fragen bezüglich des Konzepts zu sein. Auch Szenenbild und Interaktion fallen unter die Verantwortungsbereiche. Die Regie muss also eigentlich immer da sein und für alles eine Antwort haben. Denn egal um welches Gewerk es sich handelt, alles führt immer zurück zum Konzept. Niels fasst seinen Job zusammen: „Wenn alles funktioniert, es aber nicht gut aussieht, dann ist die Regie schuld.“ Dennoch gefalle es ihm, immer einen Überblick zu haben und sich kreativ einbringen zu können. Welche Fähigkeit am meisten gefordert ist? „Multitasking und Kompromissbereitschaft! Von allen Seiten kommen Millionen Fragen.“
Das Ziel ist der Weg
Sobald das Konzept steht und die Gewerke loslegen können, wird es spannend. Egal, wie gut sich das Team auf die Produktion vorbereitet und am Konzept feilt, letztendlich kommen während dem eigentlichen Aufbau doch die größten Hindernisse. Material, Team, Zeit, Geld, Können – alles muss spontan und flexibel aufgeteilt und organisiert werden. Aus Kostengründen müssen die Holz-Regale nun selbst gebaut werden und die LED Streifen mehr oder weniger erfolgreich zurecht geschnitten
werden. Und das Herzstück der Installation? Das ist neben der Holz-Frage ein weiterer Frustrationspunkt. Nachdem das Konzept für die Mitte der Installation insgesamt vier Mal umgeworfen wurde, steht es: Es wird ein Alien Kopf mit auf Algorithmen basierten Projektionen und LED Streifen. Mein persönliches Highlight, das mich selbst nach mehrfachen Erklärungen technisch überfordert. Hut ab.
Welche Fähigkeit die Technik neben V4 und der generativen Gestaltung am meisten gebraucht hat? „Löten.“ Auch das zeigt wieder, dass bei Event Media nichts wirklich vorhersehbar und planbar sein kann. Es muss aber auch nicht. Alle lernen hier durch Machen. Und lernen kann man nur, wenn man macht. Dazu gehört auch Fehler machen, zu viel oder zu wenig machen. Mein dritter Aha-Moment dieser Produktion: Der Weg ist das Ziel. Und da gehören Kompromissbereitschaft, Teamfähigkeit oder eben auch Löten dazu.
Orga ist nicht gleich Orga
Wie unfassbar viel Organisationstalent ein derartiges Projekt wie Applied Magic benötigt, wird mir erst während des Aufbaus bewusst. Genau wie bei jedem anderen Dreh benötigt es einen Produktionsleiter, der Tagespläne ausstellt, Protokollführer und eine riesen Cloud, in der alle Dokumente für alle zugänglich, nach Gewerken aufgeteilt und verwaltet werden können. Jede Sitzung wird protokolliert, jede Entscheidung festgehalten. Das Projektmanagement kämpft sich teilweise durch die einzelnen Sitzungen, irgendwie hat jeder immer etwas zu sagen, es muss ein Konsens gefunden werden und das möglichst schnell. Wie das Team die Organisation im Gesamten gefunden hat? Die einen meinen: „Wir haben alles super organisiert“, die anderen merken an: „Also es hätte schon ein wenig organisierter sein können“. Auch die Professoren sind sich nicht immer ganz einig, als Skeptiker das Gesamte im Blick, fungieren sie als Stellungnehmer zwischen Regie und Team. Es prasselt Kritik, immer und überall.
Das mag einen vielleicht erst einmal demotivieren, doch habe ich in der Produktion festgestellt (vierter Aha-Moment): Läuft alles gut, ist es gut, doch Konflikte machen es besser. Verschiedene Meinungen, vielfältige Erfahrungen, individuelle Sichtweisen und Motivationen führen automatisch zu unterschiedlichen Blickwinkeln. Das ist vielleicht anstrengend, aber auch gut so. Nur Reibungen führen dazu, dass eigene Standpunkte in Frage gestellt werden, dass Probleme aufgedeckt werden und so ein Fortschritt passiert. Auch die Stellung der Professoren ist ausschlaggebend. Der Erfahrungsschatz, die Skepsis und der objektive Blick auf das Gesamte sind Grundstein für eine erfolgreiche Produktion.
Es kann losgehen
Als es noch eine Woche bis zur Media Night ist, ist die Anspannung im Team spürbar. Der Höhepunkt der Event Media Produktion steht vor der Tür und bei der Generalprobe werden mehr nicht funktionierende Stellen aufgezählt als welche, die funktionieren. Angespannte Gesichter, denn nicht nur die Zeit, sondern auch das Geld wird knapp. Doch das Team scheint zusammengefunden zu haben. Alle organisieren, werkeln, bauen, löten. Höhepunkt aller, die ich frage: Die Zusammenarbeit im Team.
4 Juli, Punkt sechs Uhr: Die Schlange ist bereits zu lang. Das Team ist einheitlich gekleidet, die Lichter gedimmt, Taschenlampen liegen bereit – das Erscheinungsbild stimmt. Nach dem Kolloquium am Vortag wirken die Gesichter bereits entspannter, alles wäre überraschend gut verlaufen. Überraschend? „Bis Montag dachten wir noch, wir müssen die Media Night abblasen“.
Doch wie viele Dinge zuvor nicht funktioniert haben, was alles schief gelaufen ist und wie viel Stress das Team in der letzten Woche hinter sich gebracht hat, lässt sich nur noch an den Augenringen erkennen. Die Besucher sind begeistert, das Team erleichtert und die Professoren sehen auch entspannt aus. Die Skepsis ist verschwunden. Einzig Techniker Markus läuft mit besorgtem Gesicht durch die Installation, weil etwas nicht funktioniert. Das fällt aber vermutlich nur ihm auf. Denn egal, wen ich aus dem Team frage, die rückblickende Antwort lautet immer: „Es war zwar scheiß viel Arbeit, aber es hat sich gelohnt!“ Ich ziehe den Hut vor dem Team und der gelungenen Installation.
Geraldine Nirschl